Die Linden der anderen

 

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Die Linden in der Eisenbahnstraße am 28. Mai 2012

Protest gegen die geplante Abholzung alter Linden in der Eisenbahnstraße in Werder (Havel)

25. Juli 2012

Die grüne Stadt Werder an der Havel:

Allee
Lindenallee der Eisenbahnstraße in Werder
Schöne Baumalleen prägen das Erscheinungsbild des Bundeslandes Brandenburg.
Sie haben ein hohes Identifikationspotential und bestimmen auch die touristische und landschaftliche Qualität der Region.

 

Alleen in Gärten und Parks und in der so genannten Kulturlandschaft sind bedeutende Gestaltungselemente. Früher wurden von Hauptgebäuden ausgehend Residenzen von Fürsten gegliedert oder Parks unterteilt, sie führen in die freie Landschaft hinaus und verbinden Orte. Von diesen Alleen gibt e s im Land Brandenburg noch viele im Vergleich zu anderen Bundesländern.
In der vom Land Brandenburg beschlossenen Konzeption zur Entwicklung von Alleen an Bundes- und Landesstraßen in Brandenburg heißt es u. a.:
„Die Alleenkonzeption für Bundes- und Landesstraßen soll Landkreise und Gemeinden anregen, für die Straßen in ihrer Baulast ähnliche Konzepte für die Entwicklung und den Erhalt des Alleenbestandes zu erstellen“.

Wo ist das Konzept?

Wie aber schaut es aus mit einer Reihung von großen alten Linden im Ort, die entlang der Straße vor 1900 gepflanzt wurden? In Werder säumen alte Linden eine Hauptstraße, die Eisenbahnstraße. Auch innerörtlich trifft doch in der Beurteilung und Wertschätzung der Allee das zu, was im sogenannten Außenbereich als wertvoll eingestuft wird.

Der Erhalt alter Bäume muß auch hier Priorität haben!

Werder ist über die Region hinaus bekannt u. a. für seinen Obstbaumbestand. Aber die Ortseinfahrten sind mit altem Baumbestand wie Linden oder Eichen für das Stadtbild prägend.

Alleen komplett abholzen oder „verjüngen“?

In den vergangenen Jahren wurde oft bei Ausfällen von einzelnen Großbäumen die Allee insgesamt gerodet und eine Neupflanzung durchgeführt. Erfahrungen zeigen, daß wenn mehr als 50 bis 70 Prozent der alten Bäume nicht mehr vorhanden waren, alle Bäume abgeholzt wurden.
Neupflanzungen zwischen den alten Bäumen hat man in der Regel nicht als sinnvoll angesehen. Es gibt jedoch auch andere Maßnahmen als die Totalerneuerung bzw. die Totalabholzung von großen Bäumen. Hierüber gibt es eine große Anzahl von Fachliteratur und viele Erörterungen.

Aspekte zur städtebaulichen Situation in Werder (Havel), der „Genius Loci“

Stadträume, hier der Straßenraum, sind nicht rein funktional zu betrachten, also nicht nur eine Summe von Abbiegespuren, Einfahrten, Wenderadien, Querungshilfen u. a.
Bei Verlust solch eines besonderen Straßenraumes mit diesem Erscheinungsbild ist ein extremer Eingriff in unsere unmittelbare Umwelt und führt letztendlich zur Ortlosigkeit.
Hier im Ort Werder ist die Eisenbahnstraße eine der wenigen gründerzeitlich entwickelten innerörtlichen Straßen, die von Anbeginn rechts und links mit Alleebäumen (Linden) bepflanzt waren und – wie ihr Name schon sagt – führt diese Straße von der „Innenstadt“ also am Postgebäude vorbei und dem ehemaligen Scharfrichterhaus bis zur Inselstadt bzw. von der Ortsmitte zur Eisenbahnstation, zum Bahnhof.
Abgesehen von der Bepflanzung sind die Parzellen – schmal und tief – rechts und links dieser Straße gelegen: eine „klassische“ Aufteilung des Straßenraumes mit beidseitigen breiten Bürgersteigen und breitem Grünstreifen, in den die Lindenbäume gesetzt wurden.

Was zeichnet diese Straße aus?

Allee
Werder, Eisenbahnstraße, Linde 105
Sie hat eine historisch gewachsene Struktur, was die Bebauung und Parzellierung und den Baumbestand betrifft. An einzelnen Bäumen kann man heute noch die Einfassung mit gelblichen Ziegeln, die damals um die Bäume gesetzt wurden, erkennen.
Es gab Verluste, es gibt Lücken, die z. T. mit anderen Bäumen „aufgefüllt“ wurden (z. B. Vogelbeere), aber auch junge Linden, die sich gut entwickelt haben, sind nun vorhanden.
Die Allee (Blick Richtung Ortsmitte) ist zu Ende, wo die Straße wesentlich enger wird (Höhe der Eisenbahnstraße 51).

Warum die Linden nicht abgeholzt werden sollen

Für die Erhaltung der noch vorhanden Linden spricht ihr hoher Zeugniswert - quasi eine Verbindung zu unserer Geschichte, aber auch als ein Identifikationspunkt und darüber hinaus ist die Straße eine der wichtigen individuellen Stadtbildmerkmale des Ortes Werder.

 

Für die Bewohnerinnen und Bewohner und die Besucher dieses Ortes ist auf jeden Fall der authentische Alleebaum, der rechts und links an der Straße steht in einer Reihe mit gleichen Abständen, ein wichtiges landschaftliches Leitmotiv und auch ein stadträumliches Element und wird als solches erkannt und geschätzt als Teil unserer Kultur.
Sie sind aus diesen Gründen wertvoll, stehen im öffentlichen Raum, abgesehen von ökologischen Belangen wie Luft, Kleinklima, Feinstaubreduzierung und auch der Duft (bei Linden besonders).
Eine Totalerneuerung hat keine positive Wirkung.

Was plant das Land Brandenburg?

Das Land Brandenburg beabsichtigt in diesem Jahr (2012) eine totale Abholzung der Lindenallee im Zuge des nächsten Bauabschnittes der Straßenerneuerung (Richtung Ortsmitte). Sogar der - bereits vor langer Zeit gemeinsam mit den Anwohnern, Trägern öffentlicher Belange und der Stadt Werder - verabschiedete Ausbauplan für den sogenannten 2. auabschnitt, wo sich ein wesentlicher Teil der gut erhaltenen Lindenbäume befindet (Baum Nr. 72, Nr. 105 u .a.), ist nun nach Aussage des Landesbetriebes für Straßenwesen nicht mehr verbindlich.

Was wäre auch möglich?

Der Erhalt ökologisch und stadtgestalterisch wertvoller Einzelbäume (als Beispiel Lindenbaum Nr. 74, Nr. 78, Nr. 107, Nr. 105, Nr. 72 ) ist möglich und besser als die Aneinanderreihung von Jungbäumen, ie im Straßenraum viele Jahre als raumbildendes Element nicht wirksam werden (im bereits fertiggestellten Abschnitt sind sieben Bäume eingegangen). Eine Allee kann in Abschnitten erneuert werden.
Neupflanzungen und so eine „Auffüllung“ von Lücken mit kräftigen Alleebäumen an einzelnen Standorten, verbunden mit einer intensiven Wachstumsförderung, alternativ betreiben.
So können immer Nachpflanzungen erfolgen. Das wurde vom Land Brandenburg im ersten – realisierten – Abschnitt so realisiert.

Die Idee

Es ist bei den vorhandenen Lindenbäumen eine einheitliche Höhe und Kronenanschluß vorhanden und so entsteht ein starkes stadträumliches Element, eine Art „Torsituation“.

 

Thömmes-Wittig - Architektur-Büro Ideenskizze Eisenbahnstraße

Zur Verdeutlichung von diesen sog. Torsituationen hier im gezeichneten Beispiel – der Bereich, wo der nächste Bauabschnitt sich anschließt: Die vorhandenen Lindenbäume wurden mit der am Baum vorhandenen Numerierung dargestellt. Besonders schön gewachsen, vital und erhaltenswert sind die Bäume Nr. 74 und 78.

 

Einzelne exemplarische Bäume – Dokumentation des Altbestandes – werden erhalten, professionell gepflegt und während der Tiefbaumaßnahmen geschützt.

 

Es bieten sich mehrmals Abschnitte mit gutem Baumbestand auf beiden Seiten an (z. B. auch am Marienweg), die als (oben erläutert) „grünes Tor“ einen Erhalt nahelegen und auch einen größeren Aufwand beim Bauen der Straße rechtfertigen.

 

Bewohner und Besucher sind die „Träger“ des Wohnmilieus bzw. erzeugen Heimatgefühl, Fürsorge, Stolz und Hinwendung zu dem Ort, dessen Geschichte, zum Land, zur Landschaft und Natur. Die alten Linden gehören essentiell dazu.